„Rettung“ von Wildtierbabies

Manchmal kommt es vor, dass wir scheinbar verlassene Wildtier-Babies finden.
Unser Herz sagt uns sofort, dass wir uns um sie kümmern, sie retten und aufziehen müssen.

Aber ist dies immer der richtge Weg?

Hier meine Gedanken zu einem aktuellen Fall: Jemand hat frisch geborene bis wenige Tage alte Wildrattenbabies im Garten gefunden und suchte Hilfe. Die Tierärzte und Tierheime vor Ort wollten oder konnten keine Hilfestellung geben. Eine Amme war nicht aufzutreiben.

„Es ist sehr löblich, dass du dich für die kleinen Wusels so engagieren möchtest!

Bei Ratten kommt es immer wieder vor, dass die Mutter ihre Babies nicht annimmt. Sie wirft sie dann aus dem Nest oder frisst sie sogar auf. Das klingt erst mal bestialisch. Aber das ist ein Selbsterhaltungstrieb. Wenn die Babies krank sind oder aus Sicht der Mutter nicht überlebensfähig sind, dann sind diese Babies gefundenes Fressen für Jäger, wie z.B. Falken. Die Rattenmutter tut jetzt also alles, um diese Jäger nicht anzulocken und säubert ihr Nest.
Das ist eine Möglichkeit, warum die Babies ohne Mama sind. Und das ist die eher wahrscheinliche Variante, wenn du die Babies überhaupt finden konntest.

In diesem Fall kannst du davon ausgehen, dass die Babies von Natur aus, seit Geburt bereits krank sind und nicht überlebensfähig sind. Egal wie sehr du dich jetzt also anstrengst, sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit früher oder später sterben.

Die andere Variante wäre, dass die Rattenmutter selbst verstorben ist. Aber Rattenbabies bleiben mehrere Tage im Nest, bis sich die Augen geöffnet haben. Wenn in dieser Zeit die Mutter gestorben ist, würden die Babies noch im Nest liegen. Und das Nest wäre natürlich sehr gut versteckt, damit es keine Jäger und auch keine Menschen finden.
Daher ist diese Variante eher unwahrscheinlich.

Aber selbst wenn dem so wäre…
Rattenbabies benötigen in diesem Alter ca. alle 2 Stunden Muttermilch bzw. alternativ Aufzuchtsmilch. Tags wie nachts, alle 2 Stunden.
Und zusätzlich natürlich auch Wärme!!

Das nächste, worüber du dir klar werden solltest, wenn du die Babies aufziehen möchtest: es sind wilde Ratten. Sie haben die Instinkte der wilden Ratten angeboren bekommen. Dazu gehört auch, dass sie niemals richtig zahm werden und immer eine gewisse oder sehr große Angst vor dem Menschen haben werden.
Ein Leben als Haustier in einem Menschen-Haushalt wird daher in den meisten Fällen nur Qual und Folter für sie sein. Ein Leben in ständiger Angst. Auch musst du dir im klaren sein dass du sehr wahrscheinlich alle der Babys behalten musst. Ihr Leben lang, selbstverständlich geschlechtlich getrennt. Kaum ein Rattenhalter möchte wilde Ratten aufnehmen (was auch überaus verständlich ist) und auch in etlichen Tierheimen sitzen wilde oder halbwilde meist monate- oder ihr Leben lang. Und ist es das wert? Für ein Wildtier „gerettet“ zu werden um dann in einem Tierheim zu sitzen, voller Angst? 
Dazu haben die wilden Ratten einen außerodentlichen Nagetrieb und können die meisten Nagerkäfige problemlos durch knabbern. Man braucht welche aus Stahl, selbst Alu wurde bei Haltern von wilden schon durchgenagt.

Ein späteres Aussetzen oder Auswildern wird leider – sehr wahrscheinlich – auch nicht lange gut gehen. Ratten brauchen in ihrer Kinderzeit andere Ratten, die ihnen rattentypisches Verhalten bei bringen, ihnen quasi die Rattensprache bei bringen. Findet das nicht statt, kann es bei Aufeinander treffen mit anderen Ratten zu Problemen, Streitigkeiten, Kämpfen, u. a. bis zum Tod kommen.
Wir erleben das auch bei den Farbratten immer wieder, wenn diese nicht sozialisiert wurden, z. B. weil sie alleine gehalten wurden. Hier kommt es oft zu Problemen mit anderen Artgenossen.

Eine letzte Möglichkeit wäre eine Wildtierstation. Wenn es so was in deinem Umfeld gibt, dann findest du dort vielleicht eine Amme oder jemanden, der sie groß ziehen kann.

Schlussendlich ist es sicherlich ein schwerer Schritt, die Rattenbabies jetzt sich selbst zu überlassen.
Denn sie schauen dem sicheren Tod ins Auge.
Das wäre aber auch passiert, wenn du sie nicht gefunden hättest.

Vielleicht ist es eine tröstende Vorstellung, wenn man weiß, dass ihr Tod nicht umsonst sein wird. Ein Jäger, wie z. B. ein Falke wird sie finden. Dieser Falke ist vielleicht auch eine Mutter und hat hungrige Babies in ihrem Nest sitzen. So können die Rattenbabies Nahrung für die Falkenbabies sein und der Kreislauf der Natur schließt sich wieder.

Es tut uns leid…“

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